25. August 2024 / Bildung & Wissenschaft

„Viele Ostdeutsche empfinden sich immer noch als Bürger 2. Klasse"

Neuer Podcast: Soziologe Detlef Pollack analysiert vor Landtagswahlen Unterschiede zwischen Ost und West

Foto (Uni MS - Linus Peikenkamp): Prof. Dr. Detlef Pollack


Die Skepsis vieler Bürger in den neuen Bundesländern gegenüber der „alten Bundesrepublik“ hat sich als Folge vieler Enttäuschungen nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 mittlerweile verfestigt – unabhängig von der größtenteils guten ökonomischen Lage. „Die Gefühlslage hat sich von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt“, betont der Soziologe Prof. Dr. Detlef Pollack von der Universität Münster in der aktuellen Folge des „Umdenken“-Podcasts der Universität. Bei rund 30 Prozent der Bevölkerung habe sich eine grundsätzliche „Anti-Haltung“ und Skepsis gegenüber den etablierten Parteien entwickelt, was sich höchstwahrscheinlich in einem positiven Ergebnis für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September widerspiegeln wird. „Das Klagen hat sich verselbstständigt und ist zu einem Identitätsmarker vieler ostdeutscher Bürger geworden“, erklärt der aus Weimar stammende Wissenschaftler, der seit 2008 an der Universität Münster lehrt und forscht.

Die Erwartung vieler Menschen auf eine schnelle Angleichung an die wirtschaftlichen Verhältnisse in Westdeutschland habe sich nicht erfüllt, zudem fühlten sich viele von ihnen noch immer als „Bürger 2. Klasse“. Wenngleich manche Klagen durchaus berechtigt seien, habe sich eine weit verbreitete Trotzhaltung ergeben, die nicht immer auf Fakten beruhe. „Das ist wie bei einem Kind, das immer meint, dass es nicht genug Süßigkeiten bekommt.“ Die Ostdeutschen hätten im Übrigen erkannt, dass diese Einstellung durchaus Vorteile mit sich bringe. „Viele Ostdeutsche leiten daraus Ansprüche ab, die sie lautstark artikulieren, und der Staat reagiert beispielsweise mit Transferzahlungen darauf.“

Um die Diskrepanzen zu minimieren, sei vor allem ein „rhetorisches Abrüsten“ notwendig: weniger polarisieren und herabsetzen, stattdessen sachliche Debatten führen. Zudem müsse die Politik konkrete Lösungen auf aktuell viel diskutierte Themen wie etwa die Migrations- oder Bildungspolitik erarbeiten – insbesondere in strukturschwachen Regionen. „Scheinlösungen helfen uns nicht weiter. Wir brauchen gute Bildung, gute Brücken und eine gut funktionierende Bahn“, unterstreicht Detlef Pollack.

Umdenken – der Podcast der Universität Münster
Im Podcast der Universität Münster kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen zu Wort. Sie berichten über ihre Forschungsschwerpunkte, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre persönliche Motivation. Alle Folgen sind auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts und unter folgendem Link zu hören: https://www.uni-muenster.de/kommunikation/podcast/index.html

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